Immune-Mediated Myositis (IMM) und MYH1 (Myosin Heavy Chain 1) -assoziierte Myopathien (MYHM)

von Tierärztin Marion Bambula.

IMM (= Immunvermittelte Myositis) ist eine Autoimmunerkrankung, die hauptsächlich bei Quarter Horses und verwandten Rassen (Paint Horse, Appaloosa, etc.) und dort vor allem in bestimmten Blutlinien vorkommt. 

IMM ist assoziiert mit einer autosomal-dominanten Genmutation (MYH1) mit variabler Penetranz, was bedeutet, dass es zusätzlich zur Mutation noch weiterer Trigger braucht, um eine IMM auszulösen. Bei 39% der untersuchten Fälle gab es einen Trigger, wie eine Streptokokken-Infektion, Atemwegsinfektion, oder Impfung. Auch ein Muskeltrauma (z.B. durch i.m. Injektionen, Tritte, etc.) wird als Trigger diskutiert, weil es dabei zur Freisetzung des mutierten Myosinproteins kommen kann, welches dann zur Autoimmunreaktion führt. Homozygote Tiere scheinen häufiger und heftiger zu erkranken als heterozygote. Es besteht eine zweigipfelige Altersverteilung: Schübe treffen meist Pferde die entweder unter 8 oder über 17 Jahre alt sind. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. 

Während eines IMM-Schubes kommt es zu schneller und dramatischer Muskelatrophie hauptsächlich der Rücken- und Kruppenmuskulatur. Die Pferde verlieren bis zu 40% der Muskulatur innerhalb von 48 Stunden. Sie zeigen Unwohlsein und Muskelsteifigkeit. Besonders heftig betroffene Pferde können eine hochgradige Schwäche entwickeln und zum Festliegen kommen.

Häufigste klinische Symptome:

  • Schnelle symmetrische Muskelatrophie, vor allem der Rücken- und Kruppenmuskulatur (80%)
  • Steifer oder schwankender Gang (74%)
  • Fieber (44%)
  • Schwäche
  • Apathie
  • Blutergebnisse: Leukozytose (60%) + leichte bis deutliche Anstiege von CK und AST (97%)

Weniger häufig beobachtete Symptome:

  •  Festliegen (8%)
  •  Feste Muskulatur
  •  Faszikulationen (leichtes Muskelzucken)
  •  Gleichzeitige Atemwegserkrankung

Die Überlebensrate in einer retrospektiven Studie lag bei 87%, wobei rasche Behandlung die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich erhöhte. Pferde mit einer gleichzeitigen fieberhaften Infektion hatten schlechtere Prognosen. Eine Komplikation der Erkrankung, die zu reduzierter Lebenserwartung führt, ist eine chronische Niereninsuffizienz, die durch den massiven Anfall von Myoglobin im Blut in Zusammenspiel mit Dehydratation und Verwendung von NSAIDs während eines Schubes verursacht wird.

Auf molekularer Ebene führt die Mutation zu einer Veränderung der Oberfläche eines Myosinproteins in einer bestimmten Subgruppe von Muskelfasern (2X-Fasern) und zu einer verringerten Stabilität dieses Proteins. Die am häufigsten betroffene Muskulatur entlang der Oberlinie besteht zu 40-80% aus diesen 2X-Fasern. Ursache für die Autoimmunreaktion kann eine molekulare Mimikry sein, bei der ein Infektionserreger (im Verdacht stehen Streptokokken) ähnliche Oberflächenstrukturen zeigt, wie das veränderte Myosinprotein und es somit zum Verlust der Selbsttoleranz und zur Aktivierung von autoreaktiven T-Zellen kommt.

Zur definitiven Diagnosesicherung empfiehlt sich eine Muskelbiopsie der betroffenen Muskelpartie. Der Nachweis von Lymphozyten in den Muskelzellen bzw. von perivaskulären lymphozytären Infiltraten (Lymphozytenmanschetten um die Gefäße) in atrophierter Muskulatur sind typische Befunde für IMM. In zu spät entnommenen Muskelbiopsien (wenn die Atrophie schon wochenlang bestand) können die typischen Lymphozyten-Infiltrate fehlen und nur noch eine Muskelatrophie und beginnende Regeneration nachgewiesen werden, was eine definitive Diagnose erschwert.

Seit 2018 existiert ein Gentest auf die MYH1-Mutation, der es Besitzern und Tierärzten erleichtern kann, bei Tieren mit entsprechenden Symptomen die Diagnose IMM zu stellen und eine adäquate Therapie einzuleiten. 

Ca. 6,8% der allgemeinen Quarter Horse Population sind von dem Gendefekt MYH1 betroffen. Es gibt jedoch eine deutliche Häufung in Reining-Blutlinien, wo 24,3% der EliteReiner die Genmutation tragen. Auch bei den Working Cow Horses scheint es mit 17,1% und bei den Halter Pferden mit 16,0% eine deutliche Häufung zu geben.

Fast 50% der bereits einmal erkrankten Pferde zeigen wiederkehrende Episoden von Muskelatrophie. Bei Behandlung mit Kortison kommt es meistens zu einer Verbesserung der Symptome. Die Muskelatrophie ist bei den meisten Pferden komplett reversibel. Die Dauer bis zum kompletten Wiederaufbau der Muskulatur lag zwischen einer Woche und 5 Monaten oder mehr. Mit Kortison scheint der Muskelaufbau schneller von statten zu gehen. 

Den behandelnden Tierärzten der betroffenen Pferde wurde der Rat erteilt, wie folgt zu behandeln: Dexamethason (0,05 bis 0,1 mg/kg, i.v. 1 x täglich mit anschließender 25%Dosisreduktion für einige Tage), gefolgt von Prednisolon p.o. (1 mg/kg, 1 x täglich, mit Dosisreduktion um 25% alle paar Tage für insgesamt 2-6 Wochen, plus eventuell Antibiotika, wenn es Hinweise auf eine gleichzeitige Infektion gibt. 

Intensive intravenöse Flüssigkeitsgaben werden dringend empfohlen, um einem potentiell nachfolgenden Nierenversagen vorzubeugen.

Es gibt noch mindestes eine weitere Verlaufsform der Erkrankung: die anstrengungsunabhängige Rhabdomyolyse

Im Unterschied zu IMM, kommt es bei der Rhabdomyolyse nicht immer zu einer Atrophie der Muskulatur und auch nicht zu einer lymphozytären Infiltration der Muskulatur. Nur knapp die Hälfte der Pferde mit nicht-anstrengungsbedingter Rhabdomyolyse zeigten überhaupt eine Atrophie. Die Pferde mit Rhabdomyolyse haben stark erhöhte CK-Werte. Klinisch kommt es zu Kreuzverschlags-ähnlichen Symptomen, die aber unabhängig von körperlicher Anstrengung auftreten (non-exertional rhabdomyolysis).

Welche molekularen Mechanismen zu dieser Form der MYH-assoziierten Rhabdomyolyse führen, ist noch Gegenstand der Forschung.

 

Quellenangaben:

Lewis SS, Valberg SJ, Nielsen IL. Suspected immune‐mediated myositis in horses. J Vet Intern Med. 2007;21:495‐503.

Durward‐Akhurst SA, Valberg SJ. Immune‐mediated muscle diseases of the horse. Vet Pathol. 2017;55:68‐75.

Finno CJG,G, Perumbakkam S, Williams ZJ, et al. A missense mutation in MYH1 is associated with susceptibility to immune‐mediated myositis in quarter horses. Skelet Muscle. 2018;8:7.

Valberg SJ, Henry ML, Perumbakkam S, Gardner KL, Finno CJ. An E321G MYH1 mutation is strongly associated with nonexertional rhabdomyolysis in quarter horses. J Vet Intern Med. 2018;32:17181725.

Giuliana M. Gianino, Stephanie J. Valberg, Sudeep Perumbakkam, Marisa L. Henry, Keri Gardner, Cecilia Penedo and Carrie J. Finno, Prevalence of the E321G MYH1 variant for immune‐mediated myositis and nonexertional rhabdomyolysis in performance subgroups of American Quarter Horses, Journal of Veterinary Internal Medicine, , (2019).

Hunyadi L, Sundman EA, Kass PH, Williams DC, Aleman M. Clinical implications and hospital outcome of immune-mediated myositis in horses. J Vet Intern Med. 2017;31(1):170–5.